In Teil 1 dieser Artikel - Reihe werde ich dir erklären, wie du das “Canadian Performance Process Framework” (CPPF) in deiner Praxis umsetzten kannst. Wir werden uns zunächst damit beschäftigen wie das CPPF theoretisch aufgebaut ist, und dann werden wir das Prozess-Modell anhand eines Fallbeispiels durchgehen. Du wirst sehen, dass das Prozessmodell kein Hexenwerk ist.
Das CPPF bettet den ergotherapeutischen Prozess in verschiedene Umgebungen ein: den “gesellschaftlichen Kontext” und den “Praxiskontext”. Der “gesellschaftliche Kontext” ist der Kontext in dem sich Klient*in und Therapeut*in bewegen und der beide auch prägt. Zum “gesellschaftlichen Kontext” gehören physische, soziale, kulturelle und institutionelle Elemente. Der “Praxiskontext” ist die Umgebung, in der die Therapie stattfindet, also die Räumlichkeiten der Praxis und die Ausstattung. Er schließt aber auch die Therapiesituation ein, in der Therapeut*in und Klient*in eine therapeutische Beziehung zueinander haben.
Innerhalb des Praxiskontextes befindet sich die Schritte des Prozessmodells, die jedoch noch von einem weiteren Konstrukt umgeben sind- den Bezugsrahmen. Bezugsrahmen sind die Teile aus anderen Fachbereichen, die für uns in der Therapie nützlich und wichtig sind (z.B.: Wissen über Anatomie aus der Medizin). Die Bezugsrahmen helfen uns Ergotherapeut*innen unsere Therapie mit Inhalt zu füllen.
Innerhalb der Bezugsrahmen befindet sich mit den 8 Action Points der Kern des CPPF.
Grafik angelehnt an Grundlagen der Ergotherapie, Abb. 18.3
Dieser Punkt markiert den Beginn der ergotherapeutischen Beziehung mit dem Klienten und den Anfang der Zusammenarbeit im Praxiskontext. Im ersten Action Point findet das Erstgespräch statt, bei dem du deinen Klienten grob das Prozessmodell erklären kannst. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, meinen Klient*innen das CPPF zu erklären, denn
Du hast nämlich mit dem CPPF einen groben Plan in der Hand, mit dem du der Ergotherapie ein Gerüst geben kannst. Und du kannst deinen Klient*innen gleich zeigen, dass du nicht nur “vor dich hin wurschteln” wirst, sondern, dass du weißt was du tust.
In diesem Punkt geht es darum gemeinsam mit deinemr Klientin herauszufinden woran ihr arbeiten wollt. Du kannst mit deinen Klient*innen ein COPM durchführen oder ein anderes Assessment, um die Betätigungsanliegen deiner Klient*innen zu erfahren. Das Ziel dieses Action Point ist es, einen groben Überlblick über den Alltag deines Klienten zu bekommen.
Jetzt geht es darum die Betätigungsanliegen deiner Klient*in so genau wie möglich zu analysieren. Dafür kannst du weitere Assessments verwenden, die dir sinnvoll scheinen, wie zum Beispiel eine Handkraftmessung, eine Neutral-Null-Messung, aber auch die Durchführung der Interessens- oder Rollencheckliste ist eine Möglichkeit. Der Kern von diesem Action Point ist aber, die gesammelten Betätigungen, die deinem Klienten schwer fallen mittels einer Betätigungsanalyse genauer zu beobachten. Wenn das im Praxissetting nicht möglich ist, kannst du die Betätigung simulieren oder du besprichst sie mit deinem Klienten und bittest ihn Fotos oder Videos mitzubringen. Vergiss nicht Ressourcen zu notieren, die sich im Laufe des Gespräches herauskristallisieren.
Dieser Schritt ist in meinen Augen einer der wichtigsten im gesamten Prozess - und meiner Erfahrung nach auch der, der in der Praxis leider gerne vernachlässigt wird. Versuch mit deinen Klient*innen die Therapieziele so konkret wie möglich festzulegen. Das Ziel “Herr Müller will in seinem Alltag wieder so selbstständig wie möglich zurechtkommen” ist zu schwammig, es enthält keine Betätigung an der sich gut arbeiten lässt. In den vorherigen Schritten hast du ja aber mit deinem Klienten erarbeitet welche Betätigungen ihm schwerfallen und kannst jetzt darauf aufbauen. Um deine Ziele so zu formulieren, dass du gut mit ihnen arbeiten kannst hilft es dir vielleicht die COAST-Methode zu verwenden. Wenn du ein Ziel formuliert hast geht es jetzt an die Planung der Therapie und es gilt einige Fragen zu beantworten
Wenn alle Fragen beantwortet sind und somit einen Plan entwickelt ist geht es an die Umsetzung dieses Plans. Dein therapeutisches Handeln ist nun ganz auf deinen Klienten oder deine Klientin abgestimmt und ihr versucht zusammen das gemeinsam entwickelte Ziel zu erreichen.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt im Prozess. Der Plan, den du mit deinem Klienten umsetzt, ist natürlich nicht in Stein gemeißelt - es ist deine Aufgabe als Therapeut*in die Intervention immer kritisch zu hinterfragen und mit deinem Klienten Rücksprache zu halten, ob die Therapie in die gewünschte Richtung geht. Wenn ihr bemerkt, dass ihr nicht auf dem Weg zum Ziel seid, ist es sehr wichtig den Plan zu ändern. Den Plan anzupassen gehört auf jeden Fall auch mit zur Therapie und ist nicht “falsch”, sondern sehr oft einfach notwendig. Wenn du deinen Klienten in die vorherigen Schritte transparent eingebunden hast, solltest du das tun auch wenn du den Plan änderst.
Im 4. Action Point hast du ein Ziel formuliert, welches eine zeitliche Komponente beinhalten sollte. Jetzt ist der Augenblick zu überprüfen und zu bewerten inwieweit du und dein Klient das Ziel erreicht habt. Hierfür kannst du den letzten Schritt des COPM wiederholen und prüfen, ob sich die Selbsteinschätzung deines Klienten verbessert hat. Nimm dir Zeit die bisherige Intervention mit deinem Klienten zu besprechen und zu bewerten.
Wenn das Ziel erreicht ist, folgt nun der Schritt die Therapie zu beenden, oder deinen Klienten bei Bedarf an eine andere Berufsgruppe zu verweisen.
Ich kann mir vorstellen, dass du in deinem Kopf jetzt einige offene Fragen hast:
Wie du in der Darstellung des CPPF erkennen kannst, handelt es sich bei diesem Prozessmodell nicht um ein lineares, sondern um ein zyklisches Modell. Das bedeutet, dass der Weg nicht stur von Anfang nach Ende durchlaufen werden muss oder soll. Es gibt im CPPF nämlich alternative Wege.
Wie du siehst, kannst du von Action Point 3 und 4 direkt zum Ende springen, oder vom 7. Action Point wieder zurück zum vierten. Wenn ihr beim 7. Action Point euer Ziel noch nicht erreicht habt, dann springt ihr einfach wieder zum 4. Action Point und ändert im Zweifel den Plan. Wenn dein Klient weitere Ziele anspricht, dann entwickelt ihr im 4. Action Point einen neuen Plan zur Erreichung dieses neuen Ziels.
Es gibt Ergotherapeut*innen, die die Meinung vertreten, dass man in bestimmten Fällen seine Klient*innen nach der Befunderhebung oder Zielsetzung weitervwerweisen sollte. Wenn du zum Beispiel mit deinem Klienten oder deiner Klientin kein betätigungsorientiertes Ziel formulieren kannst, oder du beim Befunden keine Betätigungsanliegen herausfindest, ist es unter Umständen ratsam die jweilige Person an andere Berufsgruppen zu verweisen
Dasselbe gilt, wenn man im 4. Action Point kein betätigungsorientiertes Ziel entwickeln kann. Wie du selbst mit solchen Situationen umgehst solltest du im Zweifel mit deinem Chef oder deiner Chefin besprechen, oder für deine eigene Praxis eine klare Haltung formulieren.
Ich hoffe du konntest beim Lesen schon einige Vorteile für dich herausfinden - ich will dir hier noch die Vorteile mitgeben, die ich sehe.
Ich hoffe du hast nun einen Einblick bekommen, wie sich das CPPF in die Praxis umsetzten lässt. Wenn du dich entscheidest, dieses Prozessmodell in dein Arbeiten mitzunehmen, ist es wichtig, dass du versuchst es auf dich und deine jeweiligen Klienten zupassen.