Seit circa 30 Jahren findet in der Ergotherapie in Deutschland ein Wandel statt - der Wandel hin zum “zeitgenössischen Paradigma”. Ein wichtiger Teil dieses Wandels ist vor allem ein neuer Umgang mit Menschen, die zu uns in die Therapie kommen: sie werden nicht mehr als Patient*innen, sondern als Klient*innen betrachtet. Diese Unterscheidung zwischen Patient*innen und Klient*innen mag im täglichen Arbeiten wie lästige Erbsenzählerei wirken, aber sie kann ganz konkrete Folgen für deine praktische Arbeit haben.
Ich möchte dir zeigen, weshalb die Unterscheidung zwischen Patient*innen und Klient*innen notwendig ist und was sich daraus konkret für deine therapeutischen Interventionen ergibt.
Zugegeben die Worte klingen sehr ähnlich, aber ihre Bedeutung unterscheidet sich erheblich.
Patient*innen sind Menschen, die
Ich arbeite in einem großen Gesundheitszentrum und höre oft Äußerungen, die klar machen, dass sich die jeweiligen Menschen in der Rolle als Patient*innen sehen. Ich habe einige für dich zusammengestellt.
Kommen dir ein paar der Äußerungen bekannt vor? Schauen wir uns an, was für Klient*innen charakteristisch ist.
Klient*innen sind Menschen die
Dadurch ergibt sich für die Therapie eine völlig andere Voraussetzung.
Ein wichtiger Teil des am Anfang beschriebenen Paradigmenwechsels ist, dass wir Ergotherapie klientenzentriert praktizieren. Die Ergotherapie hat also zwei Hauptrollen zu vergeben: den Therapeuten / die Therapeutin und den Klienten / den Klienten. Moderne Ergotherapie findet auf Augenhöhe statt und bezieht die Klienten explizit mit in den therapeteutischen Prozess ein. Das ist auch die Richtung in die sich auch unser Gesundheitssystem hier in Deutschland seit einigen Jahren hinentwickelt. In der Zeit von 2000 bis 2006 wurden sechs nationale Gesundheitsziele formuliert, unter anderem das Ziel “Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken”. Als Teilziele soll das “gesundheitsbezogene Selbstmanagement” angeregt werden und selbstbewusste sowie selbstbestimmte Handlungsweisen von Bürger*innen gefördert werden
Daraus ergibt sich, dass wir Patient*innen bei ihrer Entwicklung zu Klient*innen unterstützen sollten.
Für dich bedeutet es, dass es an der Zeit ist umzudenken. Nicht du bestimmst was das Beste für den zu Behandelnden ist, sondern ihr gemeinsam. Es ist deine Aufgabe es zuzulassen, wenn deine Klientin eigene Wünsche in die Therapie einbringen will. Wenn jemand keine Wünsche oder Ziele für die Therapie benennen kann, dann kläre ihn über Ergotherapie auf. Damit wären wir auch schon beim ersten Schritt:
Seien wir mal ehrlich: die meisten Leute haben keine Ahnung was Ergotherapie ist (“aber es klingt so ähnlich wie Physiotherapie - es ist also bestimmt das selbe”). Bei Patient*innen, die Aussagen machen wie du sie oben lesen kannst hilft es meiner Erfahrung nach in 80% der Fälle die Menschen erstmal aufzuklären WAS Ergotherapie eigentlich ist. Am Besten nicht in einem 30minütigen Monolog, sondern prägnant und auf den Punkt. Nutze Menschen aus deinem Umfeld zum Üben, so schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe: du kannst deinen Klient*innen und Patient*innen erklären was Ergotherapie ist und deine Liebsten kennen endlich den Unterschied zwischen Ergotherapie und Physiotherapie.
Fang am Besten gleich damit an. Wenn du dir Gedanken über eine Therapie machst, versuche auch in deinen Gedanken “Klient*innen” statt “Patient*innen” zu denken. Versuche in der Arbeit öfter von Klient*innen statt Patient*innen zu sprechen. Ich weiß es ist eine Umstellung aber es lohnt sich. Wenn du Patient*innen bei der Entwicklung zu Klient*innen helfen willst, ist es wichtig, dass auch du dein Mindset veränderst.
Frage sie was ihnen Schwierigkeiten bereitet und was nicht. Schreibe dir Defizite und Ressourcen auf - auf den Ressourcen kannst du in der Therapie aufbauen. Frage konkret nach. Den Mittel- und Ringfinger nicht flektieren zu können ist noch keine Alltagseinschränkung, erst wenn deine Klient*in die Hundeleine nicht mehr gut festhalten kann ist es eine. Frage deine Klient*innen wann ihnen im Alltag ihre Funktionseinschränkung konkret auffällt.
Dieser Schritt ist mir am schwersten gefallen als ich frisch im Beruf war. “Ich kann doch als Berufsanfängerin nicht in eine Therapieeinheit gehen und nicht zu 100% wissen was ich mit meinen Klient*innen mache.” Doch kannst du. Du musst es sogar. Das schöne an unserem Beruf ist, dass wir Menschen behandeln und keine Roboter. Und, dass wir diese Menschen mit dem Fokus auf ihre Betätigungsanliegen in ihrem Alltag behandeln. Du hast ja in deinen drei Jahren Ausbildung nicht gelernt, wie du diesen einen Menschen behandelst, sondern was Funktionseinschränkungen für den Alltag von Menschen bedeuten kann. Klar ist es gut einen groben Plan zu haben, auf den du dich im besten Fall vorher mit deinem Klienten geeinigt hast. Wenn du aber jede Therapieeinheit von A bis Z durchplanst, dann ist deine Klientin nicht die zweite Hauptrolle in der Therapie sondern eher der*die Statist*in.
Starte direkt mit dem ersten Schritt los und überleg dir wie du in deinen Worten anderen Ergotherapie erklären würdest. Aber sei dir auch bewusst darüber, dass du deine Erklärung immer wieder ändern wirst. Das ist gut so, denn du wirst verschiedene Erfahrungen machen die dein Verständnis von Ergotherapie beeinflussen werden. Und auch unser Beruf wird nicht für immer auf dem Stand von heute stehen bleiben, sondern sich immer weiter entwickeln.