In diesem Artikel werde ich dir das Thema “evidenzbasierte Praxis” (EBP) vorstellen, dabei wird ein wichtiger Fokus des Artikels darzustellen, warum evidenzbasierte Praxis für die Ergotherapie wichtig ist. Wir werden damit beginnen erstmal den Begriff der evidenzbasierten Praxis auseinander zu nehmen und uns dem Thema ganz vorsichtig anzunähern.
Grob gesagt bedeutet es, dass ich für die Intervention, die ich meinemr Klientin anbiete, Evidenz nutzen muss. Ich muss mein Handeln also auf Belege stützen, um verantwortungsvoll zu handeln. Diese Belege oder Evidenzen können in verschiedene Anteile unterschieden werden.
externe Evidenz
Externe Evidenz beinhaltet Beweise aus wissenschaftlichen Studien oder Untersuchungen. Das bedeutet also, dass ich mich mit dem Thema Forschung auseinandersetzten sollte, um externe Evidenz für die Intervention, die ich anstrebe zu finden.
interne Evidenz
Interne Evidenz mein meine professionelle Expertise, also mein Erfahrungswissen. Wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass eine bestimmte Intervention gute Erfolge geliefert hat, werde ich sie bei ähnlichen Klient*innen wieder versuchen anzuwenden
Werte und Normen der Klientinnen und Klienten
Der Klient oder die Klientin haben also auch wieder ein Wörtchen mitzureden. Das ist auch gut so, denn sonst würde in meinen Augen die evidenzbasierte Praxis im Widerspruch zur klientenzentrierten Grundhaltung stehen
Um dir diese Frage gut beantworten zu können ist es vermutlich eine gute Idee, wenn ich dich mit auf den Weg nehme, der mich dazu gebracht hat evidenzbasierte Praxis für eine gute Idee zu halten. An dieser Stelle muss ich mal wieder mein Studium einbringen, denn durch mein Studium habe ich das erste Mal von EBP gehört - und was soll ich sagen… es war Hass auf den ersten Blick. Ich fand es zu theoretisch, trocken, ungewohnt und auch anstrengend. Warum bitte soll ich mir die Arbeit machen und so aufwändig mit “Operatoren” nach Studien suchen, nur um meine Arbeit machen zu dürfen?! In meinem Studium war es leider von Anfang an Voraussetzung für alles was man schreibt und behauptet einen Beleg anzuführen und ehrlich gesagt habe ich mir am Anfang unfassbar schwer damit getan. Ich hab sogar schon gleich am allerersten Wochenende für mich mit dem Gedanken gespielt das Studium wieder abzubrechen. Aber ich hab mich durchgekämpft und es hat sich gelohnt.
Durch die intensive Auseinandersetzung mit verschiedener Literatur kann ich mir sicher sein, dass mein therapeutischer Ansatz wirklich wirkungsvoll ist. Und dass kann ich sehr gut nutzen in Gesprächen mit Klient*innen, Angehörigen, Ärzt*innen und Kolleg*innen. Ich kann klar machen, wie ich Ergotherapie verstehe, welche Kompetenzen ich als Ergotherapeutin habe und welche nicht. Ich kann jedem, der meine Arbeit belächelt (”Ohh du du tanzt mit deinem Klienten, dass ist aber nett. Aber macht ihr auch mal irgendwas sinnvolles, was ihm wirklich was bringt?”) kompetent und stichhaltig begreifbar machen, dass meine Therapie für meinen Klienten sehr wohl sinnvoll ist. Und genau dieses Gefühl hat mir vor meinem Studium gefehlt.
Oben habe ich dir erklärt, wie ich evidenzbasierte Praxis im Studium nutze und vermutlich hast du gezögert den Artikel weiter zu lesen. Ich denke man muss unterscheiden, ob man sich in einem wissenschaftlichen Kontext bewegt und dafür Belege recherchiert, oder ob man die praktische Arbeit als Ergotherapeut*in betrachtet. Ich werde dir jetzt erklären, wie ich persönlich evidenzbasierte Praxis in meiner Arbeit anwende.
Für mich hat evidenzbasiertes Arbeite viele Gesichter - für meine Arbeit umfasst es alles, was mir eine Grundlage, eine Richtung oder eine Idee für meine Interventionen gibt. Ein wichtiger Teil von evidenzbasiertem Arbeiten ist für mich beispielsweise das modellgeleitete Arbeiten - du hast vielleicht schon bemerkt, dass ich Modelle sehr sehr wichtig finde und ich kann sie aus meinem Reasoning Prozess nicht mehr wegdenken. Eine weitere Form des evidenzbasierten Arbeitens ist das Arbeiten nach bestimmten Vorgehensweisen oder Techniken, wie beispielsweise dem Perfetti-Konzept. Aber hier muss immer beachtet werden, dass nicht jedes Programm, oder jede Technik evidenzbasiert ist, nur weil eben jemand sein Bauchgefühl “Technik” oder “Programm” getauft hat. Solche Behandlungsverfahren sollten immer wissenschaftlich untersucht worden sein.
Relevante Infirmationen lassen sich häufig außerdem in Fachzeitschriften finden. In Fachzeitschriften werden Interventionsmethoden vorgestellt und häufig wird auch der theoretische Hintergrund bleuchtet. Genauso kann man natürlich auch Fachbücher hinzuziehen, allerdings solltest du dabei auf die Aktualität des Buches achten, denn es werden laufend neue Erkentnisse produziert, und es kann schnell passieren, dass ein Fachbuch nach 5 Jahren nicht mehr direkt am Puls der Zeit ist.
Und ja natürlich gibt es auch die Möglichkeit der Datenbank-Recherche. Die Datenbanken, die ich für mein Studium nutzen kann sind normalerweise kostenpflichtig und recht kostenintensiv dazu, die Datenbank pubmed hingegen ist kostenlos verwendbar und oftmals kann man wenigstens die abstracts von Studien ect lesen, man kann also schon einmal einen kleinen Einblick bekommen.
Jetzt habe ich dir lang und breit erzählt, wie du von evidenzbasierter Praxis profitieren kannst – nun stellt sich natürlich die berechtigte Frage: was nutzt das jetzt deinen Klient*innen?
Ganz zu Anfang haben wir uns die drei Säulen der evidenzbasierten Praxis angeschaut – da war auch eine Säule, die auf die Werte und Vorstellungen des Klienten setzt. Durch die Berücksichtigung dieser Säule wird nochmals der Bezug zur klientenzentrierten Grundhaltung der Ergotherapie ganz deutlich: Als dritte Säule ist damit festgelegt, dass jede deiner therapeutischen Interventionen im Interesse deine*r Klienten liegen muss. Und um das herauszufinden, finde ich es notwendig meine Klient*innen über alles was ich in der Therapie tue und vorhabe aufzuklären und ihnen auch den Nutzen, den sie davon haben zu präsentieren.
Denn was eine Vorgabe das evidenzbasierte Arbeiten ist, ist der sogenannte „informed consent“, also die informierte Einwilligung deines Klienten oder deiner Klientin in deine Vorhaben. Die „informierte Einwilligung“ setzt aber voraus, dass du deinen Klient*innen gut und verständlich erklärst, warum du was mit ihnen machst und nichts anderes. Das schafft nicht nur Transparenz, sondern du kannst so deine Klient*innen aktiv an der Therapie beteiligen.
Und nicht zu vergessen ist Transparenz auch ein wichtiges Mittel um dafür zu sorgen, dass sich deine Klient*innen in deiner Therapie gut aufgehoben fühlen und sie denn Sinn der Intervention besser nachvollziehen können. Und natürlich steigert es die Qualität der Intervention, die sie durch dich erfahren, wenn du dich mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen auseinandersetzt.
Du musst natürlich nicht direkt mit einer riesigen Datenbank-Recherche beginnen, aber vielleicht kannst du in einer Fachzeitschrift nach einem interessanten Artikel stöbern. Wenn du eine bestimme Fragestellung hast, die dich beschäftigt, dann kannst du die Datenbank „pubmed“ nutzen und dazu recherchieren.